Das Dr.-Birgit-Dettke-Archiv und der KinderKunst e.V. Erfurt
Jede Stadt hat ihre Geschichte und ihre Geschichten, die ihren Charakter prägen und sie unverwechselbar über lange Zeit hinweg von anderen Städten unterscheiden.
Über Erfurt lässt sich in dieser Hinsicht einiges berichten, doch nur weniges, das in so eigener Weise glückliche Fügungen und tragisches Verhängnis miteinander verknüpft wie die Entstehung und Entwicklung des Dr.-Birgit-Dettke-Archivs.
Die nunmehr auf Dauer gesichert erscheinende Existenz dieses Projekts wirft ein hoffnungsvolles Licht auf ein die Geschichte Erfurt leider global überschattendes Ereignis, das eine eindrückliche Narbe im Profil unserer Stadt hinterlassen hat:
Am 26. April 2002 starben beim Amoklauf eines relegierten Schülers, der sich anschließend selbst richtete,15 Lehrerinnen und Lehrer, Schüler und Angestellte des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums sowie ein Polizist.
Unter den Opfern war auch die Kunsterzieherin Dr. Birgit Dettke, die ein Jahr zuvor den KinderKunst-Verein Erfurt gegründet hatte, um mehr Unterstützung für das Sammeln, Bewahren, Archivieren, Analysieren und Präsentieren künstlerischer Arbeiten von Kindern und Jugendlichen zu gewinnen. Zum Gründungsgremium gehörten namhafte kulturell engagierte BürgerInnen und PolitikerInnen – als Beispiel sei der verdienstvolle Kunstwissenschaftler und Direktor der Galerie am Fischmarkt (heute Kunsthalle) Herbert Schönemann (1936-2019) genannt, in der von ihm geleiteten Einrichtung vom 06.06.-18.07.2004 eine von einem Katalog begleitete Ausstellung mit ca. 250 Arbeiten im Entstehungszeitraum von rund 100 Jahren vorwiegend aus Deutschland sowie auch aus anderen europäischen und außereuropäischen Ländern aus dem nach seiner Begründerin benannten Archiv gezeigt wurde, die dessen herausragende Qualität bezeugte.
Nach dem tragischen Tod seiner Gründerin übernahm der Verein unter verschiedenen neuen Vorsitzenden, zuletzt Frau Prof. Dr. Heidrun Richter, Dozentin für Kunstpädagogik an der Universität Erfurt, die Verantwortung für die aktive Weiterführung des nunmehr nach seiner Initiatorin benannten Archivs und des Vereins, der ihr in den folgenden 20 Jahren durch zahlreiche und vielgestaltige Aktivitäten wie z. B. mehrmals jährlich an verschiedenen Orten der Stadt präsentierte Ausstellungen mit begleitender Öffentlichkeitsarbeit gerecht wurde.
Nachdem ursprünglich vorgesehene Standorte für das Archiv im Gutenberg-Gymnasium und an der Universität Erfurt trotz mehrfacher Bemühungen des Vereins und seiner Unterstützer nicht realisiert werden konnten und dem Verein die danach über einige Jahre genutzten Räumlichkeiten im Ratsgymnasium von der Evangelischen Schulstiftung kurzfristig gekündigt wurden, zog der Verein mit dem inzwischen auf einige Tausend Arbeiten angewachsenen Archiv nicht zuletzt mittels Unterstützung der Stadtverwaltung und des damaligen Bibliotheksdirektors Dr. Eberhard Kusber 2013 in das aktuelle Domizil, die Stadt- und Regionalbibliothek am Domplatz.
Durch die komplexe und jederzeit für alle Interessenten zugängliche Homepage des Vereins, in der mittels einer Suchfunktion mittlerweile rund 12.000 nicht nur in Thüringen und in diesem Jahrhundert entstandene Bilder mit verschiedensten Themen, umgesetzt in unterschiedlichen Techniken, online betrachtet werden konnten, gelang es dem Verein, den Kreis der rund 70 Einzelsammlungen ebenso zu erweitern wie den seiner Freunde, Förderer und Partner. Wissenschaftliche Arbeiten, z. B. an der Universität Paderborn, konnten so unterstützt werden – auch erste Projekt-Kontakte u. a. zur Bauhausuniversität Weimar wurden auf diesem Wege geknüpft.
Daher gilt allen treuen Mitgliedern, der Stadt Erfurt, zahlreichen Bußgeldgebern und nicht zuletzt auch der Sparkassenstiftung Mittelthüringen Dank für die umfangreiche Förderung vor allem der Digitalisierungstätigkeit als Basis einer öffentlichkeitswirksamen Arbeit. Mit drei ausgewählten Bildern ist das Archiv zudem als Mitglied im internationalen Archivverbund IRAND an einem Antrag der Vereinigung auf den Titel UNESCO-Weltdokumentenerbe beteiligt.

V. l. n. r.: Dr. Wolfgang Beese (Bildungs- und Kulturausschuss; Werner Regu, Prof. Heidi Richter, Dr. Jutta Lindemann (Vorstand KinderKunst e.V. Erfurt); Anke Hofmann-Domke (Bürgermeisterin und Beigeordnete Bildung / Gesundheit / Jugend und Soziales; Bianca Hillscher, Annamaria Lippold (Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt)
Foto: Stadtverwaltung Erfurt
Um die Zukunft des Archivs langfristig zu sichern, pflegte der Verein seit mehreren Jahren intensive Kontakte zu Vertretern aus Stadtverwaltung und -parlament mit dem Ziel, es in kommunale Trägerschaft zu überführen, was mit einem im Juli 2022 abgeschlossenen Schenkungsvertrag schließlich zum Erfolg führte.
Nachdem in Zusammenarbeit zwischen dem Vereinsvorstand, aktuell bestehend aus den Kunstpädagoginnen Prof. Dr. Heidrun Richter († 2025), Dr. Jutta Lindemann, Elke Schneider und dem als Schatzmeister kooptierten Grafiker Werner Regu († 2024), mit der Bibliotheksleitung der Vertrag konkret umgesetzt werden konnte, realisiert der Verein seine Auflösung – in der berechtigten Hoffnung auf ein weiteres Wachsen und Wirken des Archivs und damit der verdienten Aufmerksamkeit für die unwiderstehliche Strahlkraft bildkünstlerischer Tätigkeit von Kindern und Jugendlichen.
Dezember 2024
Im Namen des KinderKunst e. V. Erfurt Dr. Jutta Lindemann

(Von links nach rechts: Anke Hofmann-Domke, Bianca Hillscher, Prof. Heidrun Richter, Dr. Jutta Lindemann, Andreas Bausewein)
Foto: Stadtverwaltung Erfurt